Die Europawahl wird zu Unrecht als Nebenwahl angesehen. Denn das Europäische Parlament hat weitreichende Befugnisse und mehr zu sagen als manche nationalen Parlamente. Europarecht steht mittlerweile bei vielen Themen über dem nationalen Recht. Am Sonntag dürfen die Bundesbürger bei der recht unpersönlich wirkenden Wahl ihre Wahl treffen.
Deutschland stellt 96 der 751 Abgeordnete im Europäischen Parlament. Die Parteien legen ihre Kandidaten fest. Dafür stellen sie Listen auf. Der Wähler kann sich dann für eine Liste entscheiden. Jeder wahlberechtigte Bundesbürger ab dem 18. Lebensjahr kann nur ein einziges Kreuz bei einer Partei machen; die Liste muss er so hinnehmen, wie sie ist – anders als beispielsweise bei der hessischen Landtagswahl. So hat jeder Wähler nur eine Stimme. Direktwahlen einzelner Abgeordnete in Wahlkreisen wie bei den Bundestagswahlen gibt es nicht.
Parteien entscheiden über Bundes- oder Landesliste
Die Parteien können selbst entscheiden, ob sie mit einer Bundesliste oder einer Landesliste antreten. Die meisten gehen mit einer Bundesliste an den Start. Landeslisten in kleineren Ländern, wie den Stadtstaaten, ergeben wenig Sinn, da viele Wahlberechtigte relativ wenige Sitze bestimmen können. Würde eine Partei zum Beispiel in Hamburg eine Landesliste aufstellen, bräuchte sie mehr als 60 Prozent der Stimmen, um einen Abgeordneten ins Europaparlament schicken zu können.
Keine Prozenthürde bei Europawahl
Im Gegensatz zu den Bundestagswahlen oder den Landtagswahlen gibt es nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bei der Europawahl keine Prozenthürde für die antretenden Parteien. Deswegen schaffen es auch Parteien in das Parlament, die bei Wahlen in Deutschland keine Chancen hätten.
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2014 haben aufgrund des Nichtbestehens der Prozenthürde jeweils ein Abgeordneter der Freien Wähler, der Tierschutzpartei, der Familienpartei, der Piraten, der Die Partei, der ÖDP und NPD den Sprung nach Brüssel geschafft. Wegen der Aufsplitterung des Parlaments wird die Wiedereinführung der Sperrklausel in Betracht gezogen.
Zwei Pässe, zweimal wählen?
Unmöglich! Wer es versucht, macht sich strafbar. Wahlberechtigte EU-Bürger dürfen nur einmal ihr Kreuz machen. Entweder in ihrem Heimatland oder in dem Land wo sie leben. Um eine Doppelwahl – und so einen Betrug – von vornherein zu verhindern, müssen sich EU-Bürger, die außerhalb ihres Heimatlandes wählen möchten, den Eintrag ins Wählerverzeichnis beantragen.
Die Europawahl ist schon lange keine Nebenwahl mehr!
Die Europawahl ist schon lange keine Nebenwahl mehr. Der Einfluss des Parlaments ist ständig gewachsen. Durch den Maastrichter Vertrag 1992 und dem Vertrag von Lissabon 2007 bekam das Parlament immer mehr Befugnisse. Neben dem Ministerrat ist das Parlament gleichberechtigter Mitgesetzgeber.
Vor allem bei wichtigen politischen Fragen wie dem Verbraucher- und Umweltschutz, bei Frage des Binnenmarktes und des Asylrechts. Das Parlament mit seinen Abgeordneten entscheidet gemeinsam mit dem Ministerrat über den Etat der EU. Der Präsident der EU-Kommission wird vom Parlament gewählt. Zugleich kann das Parlament die Kommission durch ein Misstrauensvotum zu einem Rücktritt zwingen.
Alle fünf Jahre Europawahl
Die Europawahlen finden seit 1979 alle fünf Jahre statt. Alle Mitgliedsländer stellen je nach Einwohnerzahl eine gewisse Anzahl an Abgeordneten. Aktuell umfasst das Parlament 751 Sitze. Verlässt Großbritannien über den Brexit die EU, sind es nur noch 705 Sitze. Das wären weniger als im Bundestag mit seinen 709 Sitzen. Für die Europawahl in den einzelnen Mitgliedsstaaten macht die EU sehr allgemeine Vorgaben, die da lauten:
- bei der Wahl muss es sich um eine Verhältniswahl mit Listen oder übertragbare Einzelstimmen handeln,
- Prozenthürden und Wahlkreise sind möglich, aber nicht verpflichtend, wie momentan in Deutschland.
In den Niederlanden sind die Wahlen gestern, 23. Mai, losgegangen. In Deutschland finden sie am Sonntag, 26. Mai, statt. Ergebnisse sollen eigentlich erst bekannt gegeben werden, wenn das letzte Wahllokal in der EU geschlossen hat. Somit erst am Abend des 26. Mai. Jedoch wurden Ergebnisse in der Vergangenheit bereits vor Schließung des letzten Wahllokals bekannt gegeben.
(lm)