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Vier Angeklagte sollen für ihre Führungsrolle beim Betrieb der Kinderporno-Plattform „Elysium“ zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden. Im bis dato größten Gerichtsprozess um Kinderpornografie in Deutschland fordert die Staatsanwaltschaft wegen bandenmäßiger Verbreitung von kinderpornografischer Schriften Haftstrafen von bis zu neun Jahren mit darauffolgender Sicherungsverwahrung für einen der Täter wegen schweren Kindesmissbrauchs. Der angeklagte aus Bad Camberg hatte für seine Beteiligung eine „hanebüchene“ Erklärung.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat am Donnerstag teils hohe Strafen gegen die Angeklagten vor dem Landgericht Limburg gefordert. Die Beweisaufnahme hätte die Vorwürfe „vollumfänglich bestätigt“, so die Staatsanwältin Dr. Julia Bussweiler. So waren von den abenteuerlichen und dummdreisten Erklärungen, mit denen die Angeklagten zu Beginn der Beweisaufnahme ihre Rollen darstellten, beim Prozess am Donnerstag nichts mehr zu hören. Kleinlaut gaben sich nun wenigstens drei der vier Männer in ihrem „letzten Wort“ und räumten ihre Taten ein und zeigten Reue. „Es tut mir unheimlich leid“, sagte etwa der Bad Camberger Frank M.

Drei bis neun Jahre Haft gefordert

Die Anträge der Anklagevertreterin reichten beim Strafmaß von drei Jahren und zehn Monaten bis zu neun Jahren Gefängnis für die Männer aus Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Darüber hinaus soll der 63 Jahre alte Angeklagte wegen wiederholten Kindesmissbrauchs nach der Haftstrafe in Sicherungsverwahrung verbleiben. Er soll zwei Kinder schwer missbraucht haben!

Der 41 Jahre alte Familienvater aus Bad Camberg war verantwortlicher Betreiber der Kinderporno-Plattform „Elysium“, auf der sich im Darknet weltweit 111.000 User über Nutzerkonten kinderpornografisches Material, wie Fotos und Videos, angeschaut haben. Des Weiteren gab es regen Austausch in Foren und in Chats zwischen den Nutzern der Plattform. In seiner Kfz-Werkstatt betrieb der 41-jährige Mann aus dem Landkreis Limburg-Weilburg den Server für die Plattform. „Elysium“ wurde im Juni 2017 abgeschaltet.

„Elysium“ wie ein Onlinehandel, nur mit Kinderpornos

Diesen hätte er laut Staatsanwältin jederzeit vom Netz nehmen können. Stattdessen haben die Angeklagten – nach ihrer Beteiligung an einer Vorgängerplattform – „Elysium“ im Darknet ähnlich wie einen Onlineshop betrieben: Nutzer hätten sich dort mit den illegalen Inhalten versorgen können. Der Camberger soll sogar Bilder von Kindern in sexualisierten Posen angefordert haben, wogegen er sich wiederholt wehrte. Auf eines dieser Bilder soll er ejakuliert haben, was sein Verteidiger einräumte, da es eindeutig aus den Beweisen hervorgeht.

Server für Plattform in Kfz-Werkstatt betrieben

Weiter gab der Betreiber des Servers an, er habe keine Ahnung gehabt, welche Konsequenzen sein Handeln gehabt hätte und bedauere das Leid, das er dadurch hervorgerufen habe. Es sei alles vollkommen anonym gewesen und hätte mit der Realität nicht zu tun gehabt. Er hätte ausgeblendet, dass doch etwas Reales dahinterstecke. Er hätte eine Rolle gespielt und könne Kindern selbst so etwas nie antun.

„Schöpfer“ von „Elysium“ ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft der technisch versierte 58-Jährige aus Baden-Württemberg. Der Camberger soll demnach den zweitgrößten Einfluss gehabt haben. Die zwei weiteren Angeklagten, ein 57-jähriger Baden-Württemberger und der 63-jährige Bayer, waren laut Anklage Moderatoren, die die Chats betreut haben.

Haarsträubende Erklärungen zur eigenen Verteidigung

Den Angeklagten kamen ihre Geständnisse zugute, auch wenn diese „teils haarsträubende Erklärungen“ für ihre Motive geäußert hätten. So hat der 41-jährige Camberger zunächst behauptet, er sei als Privatermittler auf der Plattform aktiv gewesen, um Beweise zu sammeln und zu sichern, die er dann der Polizei übermitteln wollte. Ein weiterer Mann auf der Anklagebank will nur aus technischem Interesse mitgemacht haben, der 63-jährige Bayer, um sich in einer „Art Selbsttherapie“ mit anderen Pädophilen auszutauschen, erklärte die Staatsanwältin.

Die Staatsanwaltschaft sah vor allem beim 58-Jährigen ein vollumfängliches Geständnis, der auch eine pädophile Neigung eingeräumt hatte. Seine Aussage hätte den Ermittlern weitergeholfen. Deshalb sprach sich die Staatsanwältin für eine Strafrahmenverschiebung aus – eine Art Rabatt. Auch der 63-jährige Bayer und der 41-jährige Hesse seien kooperativ gewesen und hätten zu Aufklärung beigetragen, wodurch auch sie mit einer milderen Strafe rechnen können.

Interesse an Technik sei der Hauptgrund gewesen

Der Verteidiger des 41-jährigen Hessen bat, nachdem er sich auf kein Strafmaß festlegen wollte, darum, bei der Verurteilung an die Kinder von Frank M. zu denken. Sie seien unschuldig, verdeutlichte der Weilburger Anwalt Andreas Götz. Bei zwei konkreten Anklagepunkten, dem Anstiften zum Missbrauch und das Teilen kinderpornografischer Dateien, forderte der Verteidiger Freispruch. Sein Mandant käme aus der Hacker-Szene, die Technik sei sein Hauptgrund gewesen.

Der Rechtsanwalt führt weiter aus, dass sich sein Klient im Gefängnis wegen pädophiler Neigungen untersuchen lassen möchte und sich wenn nötig entsprechend behandeln lassen möchte. Mittlerweile sei Frank M. in die Privatinsolvenz gegangen, jede wirtschaftliche Grundlage sei verloren. Seine Familie sei aber weiterhin für ihn da.

Im Darknet in Parallelwelt gelebt

Die Verteidigung verdeutlichte insgesamt, dass ihre Mandanten der Realität entfliehen wollten und im Darknet in einer Parallelwelt gelebt hätten. „Man sieht die Opfer nicht und denkt, man ist unbeobachtet“, so Rechtsanwalt Götz. Alle Angeklagten hätten durch ihre hierarchischen Positionen im Betrieb der Plattform die Anerkennung erhalten, die ihnen im wahren Leben verwehrt geblieben wären. Dass gerade der Camberger nach Geltung und Anerkennung suchte, ist überraschend. Schließlich stammt er aus einer angesehenen Familie, hat ein Unternehmen geleitet und war als Berufsschullehrer in Limburg aktiv.

Die anderen drei Täter hingegen scheinen aus einem ruinierten Leben heraus gehandelt zu haben. Der Rechtsanwalt des 63-jährige Uwe G. aus Landau, Dr. David Herrmann, hat seinem Mandanten eine „unerträglich Larmoyanz“ attestiert und hat von einem „schrecklichen Narzissmus“ gesprochen. So hat das letzte Wort des Mannes aus Landau auch länger gedauert, als die Plädoyers seiner zwei Verteidiger zusammen.

Für ihn hat Staatsanwältin Dr. Julia Bussweiler eine neunjährige Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung gefordert. Es seien künftig weitere schwere sexuelle Missbräuche zu erwarten. Diese Erwartungshaltung begründete die Anklagevertreterin mit Uwe G‘s Straftaten bei einem Ausflug nach Wien. Dort habe er einen vierjährigen Jungen und ein sechsjähriges Mädchen zum Oralverkehr gezwungen und durch „beischlafähnliche Handlungen misshandelt“.

Voraussetzungen für Sicherungsverwahrung erfüllt

Die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung seien laut Bussweiler erfüllt. Zum einen wegen des Hangs zum Missbrauch, für das andere wegen der Gefährlichkeitsprognose. Die Verteidigung und Uwe G. bestritten die zwei von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Voraussetzungen. So habe sich Uwe G. nach verbüßter Haftstrafe wegen sexuellen Missbrauchs 30 Jahre als Betreuer von behinderten Kindern unter Kontrolle gehabt. Nur in Wien hätte er „unsäglich versagt“. Der Landauer hoffe „endlich einmal ordentlich begutachte und im Gefängnis in einer therapeutischen Abteilung untergebracht“ zu werden.

Die anderen zwei Angeklagten wünschen sich auch eine Therapie. Der 56-Jährige Joachim P. aus Rottenburg am Neckar gestand, das Portal „The Giftbox Exchange“ betrieben zu haben, dessen Daten gesichert zu haben und mit eben diesen „Elysium“ aufgebaut zu haben. „Vom Inhalt, Umfang und den Auswirkungen her, ist das schon ein Brett“, so Anwalt Thomas Weiskirchner aus Tübingen. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll er für fünf Jahre und acht Monate hinter Gitter

Eine untergeordnete Rolle im ganzen Konstrukt spielte Max M. Es sei als Chat-Moderator nur ein „Mitläufertyp“ gewesen, so Verteidiger Christoph Fockenberg aus Gießen. Die Anklagevertreterin hat für den 57-jährigen aus Boxberg (Baden) eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten gefordert. Das mehr als zweistündige Plädoyer von Dr. Julia Bussweiler bewertete sogar Anwalt Herrmann als „glänzend.“

Im Knast nicht mehr sicher

In den Plädoyers der Verteidigung wiesen die Anwälte auf die schwierigen Haftbedingungen der Mandanten hin. Wer etwas mit Kindesmissbrauch zu tun hat, steht in der Knast-Hierarchie auf der untersten Stufe“, sagte unter anderem Andreas Götz, Anwalt von Frank M. Der Camberger sei von anderen Gefangenen bedroht worden, sie würden ihn zusammenschlagen und umbringen. Deswegen scheue Andreas Götz‘ Mandant den Gang nach draußen und säße so in Einzelhaft. Bei den anderen zwei Angeklagten, Bernd M. und Joachim P., sei es nach Angaben ihrer Verteidiger eben nicht nur bei Drohungen geblieben. Bernd M. sei in der JVA und Joachim P. im Gefangenentransport angegriffen worden.

Zum Abschluss drückten die Angeklagten ihr Bedauern über die Taten aus. „Für mich war das alles total anonym“, sagte der 41-Jährige. „Das war für mich nicht real.“ Der 58-Jährige erklärte, er hoffe auf Hilfe und Therapie. Er wolle seine Fehler nicht wiederholen. Die Verteidigung der im Wesentlichen geständigen Männer verzichtete teilweise auf Anträge und stellte die Strafen „ins Ermessen des Gerichts“ oder plädierten für „milde Strafen“. Bei vereinzelten Anklagepunkten forderten sie aus Mangel an Beweisen Freispruch und stellten sich gegen eine Sicherungsverwahrung. Das Gericht will am 7. März die Urteile verkünden!

(lm)

Quellen:

  1. Nassauische Neue Presse
  2. Hessenschau
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