Am 14. Februar haben sich Unterhändler des Ministerrats, der EU-Kommission und des EU-Parlaments auf einen finalen Gesetzestext für die Urheberrechtsreform geeinigt. Das Ergebnis des Trilogs wurde am 20. Februar im Rat der EU abgesegnet. Kommenden Dienstag, 26. März, kommt es auf das Votum des Parlaments an. Doch was bedeutet Artikel 13 für das künftige Web?

Schnellzugriff:

  1. Fünf Staaten gegen Urheberrechtsreform in aktueller Fassung!
  2. Was steht genau im Artikel 13?
  3. Was für folgen hat die „Inhaltserkennungstechnik“ (Uploadfilter)?
  4. Was genau ist nun ein Uploadfilter?
  5. Das Problem hierbei
  6. Uploadfilter sind nicht trivial!
  7. Trotz nachvollziehbarer Vorbehalte: EU-Rechtsausschuss befürwortet Uploadfilter
  8. Fazit

Am 20. Februar hat auch Deutschland für die erzielte finale Einigung zwischen den gesetzgebenden Institutionen der Europäischen UnionEuropäische Kommission, Rat der Europäischen Union und Europäisches Parlament – gestimmt. Gegen die Einigung haben fünf Staaten gestimmt, und zwar Finnland, Italien, Niederlande, Luxemburg und Polen. Belgien und Slowenien haben sich enthalten. Die restlichen 21 Staaten stimmten für den Kompromiss.

Fünf Staaten gegen Urheberrechtsreform in aktueller Fassung!

Die fünf Länder, die gegen die Einigung votierten, haben eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. In der heißt es unter anderem, dass die Richtlinie „in [der] jetzigen Form für den digitalen Binnenmarkt eher ein Schritt zurück als ein Schritt nach vorn“ ist. Die Länder würden vor allem bedauern, dass die Richtlinie nicht die richtige Balance zwischen dem Schutz der Rechteinhaber und den Interessen der EU-Bürger und Unternehmen herstelle. Und so wird ungeachtet dessen am kommenden Dienstag im EU-Parlament über den Entwurf abgestimmt.

Christian Solmecke, Rechtsanwalt für Medienrecht und IT-Recht, mit Infos zu Artikel 13. © Kanzlei WBS

Weitere Videos von Rechtsanwalt Christian Solmecke findet Ihr unten am Ende dieses Artikels. 😉

Die Einigung sieht ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage vor, das weit über das 2013 in Deutschland beschlossene und als gescheitert geltendes Leistungsschutzrecht hinausgeht. Darüber hinaus werden Plattformen wie YouTube und Facebook beispielsweise für Urheberrechtsverletzungen durch ihre User in die Haftung genommen. Die Haftungsbedingungen sind im Artikel 13 niedergeschrieben und werden zwangsläufig einen Uploadfilter zur Folge haben. Die EU nennt ihn nur nicht so. Im Gesetzestext heißt dieser „Inhaltserkennungstechnik“.

Was steht genau im Artikel 13?

„Internetanbieter müssen sicherstellen, dass Inhalte, die von Nutzern auf ihren Plattformen hochgeladen werden, im Einklang mit dem Urheberrecht stehen. Falls die Zustimmung der Rechteinhaber fehlt, müssen die Anbieter die Bereitstellung der fraglichen Inhalte auf ihren Plattformen verhindern. Maßnahmen zur Erkennung des Urheberrechts sind effektive Content-Erkennungstechnologien, die angemessen eingesetzt werden sollen.“

Artikel 13, EU-Gesetzgebung

Was für folgen hat die „Inhaltserkennungstechnik“ (Uploadfilter)?

Der umstrittene Artikel 13, gegen den die Internetgemeinde Sturm läuft, steht in der „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“. Dieser sieht vor, dass Onlineplattformen wie Facebook, Instagram und YouTube künftig für die Inhalte haften, wenn Urheberrechtsverletzungen vorliegen. Die Krux dabei: Es sind nicht nur die großen Global Player wie Google und Facebook betroffen, sondern auch alle kleineren Plattformen und Websites.

Was genau ist nun ein Uploadfilter?

Ein Uploadfilter ist eine Erkennungssoftware, mithilfe dessen Inhalte die auf Plattformen wie Facebook und YouTube hochgeladen werden, direkt beim Upload nach Urheberrechtsverletzungen überprüft werden. Dabei soll jeglicher Content, der „im Einklang mit dem Urheberrecht steht“, wie Bilder, Videos, Musik und Texte, nach Vorstellung der EU vorab gescannt werden. Die hochgeladenen Inhalte werden dann über eine Datenbank der Plattformbetreiber mit dort hinterlegten geschützten Werken abgeglichen. Ergo: Kein Hochladen von urheberrechtsgeschütztem Content geht mehr – egal, ob Musik, Video, Bild oder Text.

Erkennt der Uploadfilter einen Verstoß, darf die Plattform den Inhalt nicht veröffentlichen oder der User kann ihn schlichtweg erst gar nicht hochladen. Denn die Verantwortung – sprich die Haftung – für die Uploads liegen künftig bei den Plattformen. Deswegen befürchten Kritiker, dass die Plattformen präventiv versuchen werden, keine Rechte zu verletzten, und deshalb Uploads von vornherein verweigern werden. Es sei denn, die Publikation urheberrechtlich geschützter Inhalte ist durch die Zahlung einer Lizenzgebühr an den Urheber legitimiert.

Dabei gibt es beispielsweise bei YouTube bereits einen Uploadfilter, der mit geschützter Musik hinterlegte Videos erkennt, prüft und das Hochladen direkt verhindert. Genauso besitzt SoundCloud einen Uploadfilter, der urheberrechtlich geschützte Musik erkennt und den Upload erst gar nicht zulässt. Facebook und Instagram überprüfen Inhalte bereits ebenfalls beim Hochladen. Hier werden Videos, die geschützte Musik beinhalten, stumm geschaltet beziehungsweise die Tonspur wird komplett gelöscht.

YouTube hat einen Content-ID-Filter

YouTube hat bereits aufgrund von Urheberrechtsverstößen in der Vergangenheit einen Filter namens Content-ID entwickelt. Dieser Filter soll verhindern, dass User urheberrechtlich geschützte Videos oder Musik hochladen. Alle Uploads werden von dem Filter mit einer Datenbank, auf der vorhandene, urheberrechtlich geschützte Werke hinterlegt sind, abgeglichen. Erkennt YouTube, dass ein Nutzer gerade versucht beispielsweise ein urheberrechtlich geschützten Videoclip hochzuladen, wird der Upload blockiert.

Obwohl an dem Content-ID-Filter kontinuierlich gearbeitet wurde, kommt es hin und wieder zu Fehlern. So werden manchmal Videos geblockt, die gegen kein Urheberrecht verstoßen. Aber auch Videos, die gegen das Urheberrecht verstoßen, können hochgeladen werden und werden von der Plattform freigegeben. Bisher haften die YouTuber dafür.

Das Problem hierbei:

Ein Algorithmus, der hochgeladenen Content überprüft und Plattformbetreiber so vor ihrer Haftung bewahren kann, würde das grundsätzliche Sperren von geschützten Inhalten nach sich ziehen. Kritiker sind der Ansicht, dass eine breite Anwendung von Uploadfiltern eine große Gefahr für die Meinungsfreiheit darstellt. Denn jeder Content, sei es nun Video, Bild oder Text, muss überwacht, geprüft und gegebenenfalls gesperrt werden.

Hier geht es zur Petition: Stoppt die Zensurmaschine - Rettet das Internet! #Uploadfilter #Artikel13. © savetheinternet.info
Hier geht es zur Petition: Stoppt die Zensurmaschine – Rettet das Internet! #Uploadfilter #Artikel13. © savetheinternet.info

Und so sind eben nicht nur Videos und Bilder, die tatsächlich urheberrechtlich geschützt sein können, betroffen, sondern auch Memes, kritische Inhalte, Satire und Parodien sind dadurch grundsätzlich gefährdet. Gerade die im Internet so beliebten Memes und GIFs basieren meist auf Bildern oder Videos, deren Rechte die Ersteller nicht besitzen. Diese dürfen entsprechend auch nicht mehr auf Facebook & Co. veröffentlicht oder geteilt werden. Und hieran wird deutlich: Automatische Filter und Algorithmen werden es einfach nicht erkennen können, ob jemand ein tatsächlich urheberrechtlich geschütztes Werk hochlädt, oder ob es sich um ein Meme, eine Satire oder eine Parodie handelt.

Uploadfilter sind nicht trivial!

Insgesamt sind die technischen Anforderungen an einen gut arbeitenden Uploadfilter eben nicht trivial, sondern zu komplex, als dass insbesondere kleine Unternehmen selbst einen Filter entwickeln könnten. Auch eine Beauftragung eines Dienstleisters wäre sehr kostenintensiv. So bliebe den KMU (Kleine und mittlere Unternehmen) nur eine technische Lösung in Form einer out of the box-Lösung. Ob diese dann den Wünschen entspricht und zuverlässig funktioniert, steht in den Sternen.

Hier geht es zu den von Julia Reda veröffentlichten inoffiziell konsolidierten Fassungen. Aktuell nur in Englisch verfügbar:

Artikel 11: https://juliareda.eu/wp-content/uploads/2019/02/Art_11_unofficial.pdf

Artikel 13: https://juliareda.eu/wp-content/uploads/2019/02/Art_13_unofficial.pdf

Auch führen Uploadfilter wie oben beschrieben, grundsätzliche zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung des User-Verhaltens. Je nach Fallkonstellation können sich schwierige rechtliche Fragestellungen ergeben. Also ist zu befürchten, dass Vorkontrollen in Form von Uploadfiltern durch Plattformbetreibern letztendlich jede Art von Verwertung – sogar einfache Zitate – nicht zulässt.

Trotz nachvollziehbarer
Vorbehalte: EU-Rechtsausschuss befürwortet Uploadfilter

Die nachvollziehbaren Argumente der Kritiker hat jedoch leider nicht dazu geführt, dass sich der Rechtsausschuss des EU-Parlaments gegen die Einführung von Uploadfiltern entscheiden. Nein, er sich sogar für die Einführung ausgesprochen. Das Ergebnis wird sein, dass das „freie Internet“, wie wir es aktuell noch kennen, nicht mehr zu den Errungenschaften des digitalen Zeitalters gehören wird. Zumindest in der EU, denn eben wie das deutsche Leistungsschutzrecht wird das EU-Leistungsschutzrecht in seinem Geltungsbereich begrenzt und gilt nur innerhalb der EU.

Vergangenen Donnerstag, 21. März, sah Wikipedia aus Protest gegen Teile der geplanten EU-Urheberrechtsreform so aus. Foto: Screenshot Smartphone Luís Matos
Vergangenen Donnerstag, 21. März, sah Wikipedia aus Protest gegen Teile der geplanten EU-Urheberrechtsreform so aus. Foto: Screenshot Smartphone Luís Matos

Trotz der nachvollziehbaren Vorbehalte hat sich der Rechtsausschuss im EU-Parlament für die Einführung von Uploadfiltern ausgesprochen. Damit stellt sich die Frage, ob das „freie Internet“ auch zukünftig noch zu den Errungenschaften des digitalen Zeitalters gehört – zumindest im europäischen Raum, denn wie auch das deutsche Leistungsschutzrecht wäre auch das EU-Leistungsschutzrecht in seinem Geltungsbereich begrenzt.

Fazit

Es steht außer Frage, dass das Urheberrecht geschützt werden muss. Allerdings muss sich eine Urheberrechtsreform den modernen Ansprüchen einer digitalen Welt im Wandel anpassen. So wie diese Reform umgesetzt wird, basiert sie auf veralteten, verkrusteten Strukturen und starren Hierarchien. Aktuelle Ergebnisse jeglicher Uploadfilter zeigen, dass erstens nicht alles gefiltert werden kann und zweitens, dass die Filter nicht erkennen können, ob es sich um ein richtiges Zitat handelt, oder ob dieses im Kontext einer Parodie veröffentlicht wird. So wird im Zweifelsfall mehr gefiltert als sein müsste. Wir User werden es frustriert hinnehmen müssen, dass wir diesen Einschränkungen ausgesetzt sein werden.

Würde Artikel 13 die großen Plattformen in die Verantwortung nehmen, wäre dies auch in Ordnung. Wenn dadurch Künstler ihr Publikum leichter erreichen können: top! Wenn die neue Gesetzgebung kleineren Künstlern ermöglicht, für ihre Arbeit leichter bezahlt zu werden, wäre klasse. Joe McNamee sagt klipp und klar, dass es stattdessen darum geht, das Internet, wie wir es kennen, zu demontieren, die Starken zu stärken und ein Rechtschaos zu schaffen. Viele Gegner von Artikel 13, auch die Zivilgesellschaft, würden die Ziele des Vorschlags unterstützen, den Künstlern mehr Macht und Kontrolle zu geben. Leider gäbe es aber wenige Hinweise darauf, dass die Reform eine Chance hätte, dieses Ziel zu erreichen.

Die Internationale Journalisten-Vereinigung (International Federation Of Journalists) stellt klar: „Die Urheberrechtsrichtlinie verspottet die Autorenrechte von Journalisten, indem sie Übernahmeverträge und Mobbing fördert, um Journalisten zu zwingen, ihre Rechte abzutreten, und den Verlegern eine Freifahrt ermöglicht, um mehr Gewinne zu erzielen, während die Journalisten Null erhalten“. Diese Aussage ist auf alle Bereiche, die das neue Leistungsrecht tangiert, anwendbar. Vor allem Artikel 13 ist definitiv nicht für Künstler gemacht!

(lm)

Christian Solmecke, Rechtsanwalt für Medienrecht und IT-Recht, mit Infos zu Artikel 13. © Kanzlei WBS
Christian Solmecke, Rechtsanwalt für Medienrecht und IT-Recht, mit Infos zu Artikel 13. © Kanzlei WBS
Christian Solmecke, Rechtsanwalt für Medienrecht und IT-Recht, mit
Gegenvorschlag zu Artikel 13 . © Kanzlei WBS

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